
Die Raumstruktur ermöglicht Weiterentwicklung
20 Jahre pädagogische Weiterentwicklung
Das AWO-Kinderdörfel nahm am 01.03.1993 seinen Betrieb auf und ist seitdem ein Sinnbild für zukunftsweisende pädagogische Konzepte. Es war Modellstandort für die ersten Viernheimer Krippenplätze, für Gemeinschaftserziehung in der großen Altersmischung und für innere Öffnung. Durch Praxiserfahrung und fortlaufende Reflexion wurde das Konzept stetig weiterentwickelt. Das AWO-Kinderdörfel steht heute in besonderem Maße für die Förderung der Entdeckerfreude der Kinder, für eine hohe Qualität von sozialen Beziehungen, für offenen, intensiven Austausch mit den Eltern und für eine umfassende Vernetzung im Gemeinwesen.
Seit der Inbetriebnahme hat die Zusammenarbeit mit Eltern einen stetig wachsenden Stellenwert eingenommen. Wir wollen diesen Weg weiter beschreiten, weil er maßgeblich zur Qualitätsverbesserung der pädagogischen Arbeit mit den Kindern beigetragen hat.
Wie könnte das AWO-Kinderdörfel der Zukunft aussehen?
Unser Ziel bei der konzeptionellen Weiterentwicklung ist ein Gesamtkonzept, in dem die Leistungen der Kindertagesstätte für Kinder und deren Eltern mit Bildungs- und Beratungsangeboten für Familien verknüpft werden:
Betreuung, Bildung und Erziehung der Kinder
Partnerschaftliche Zusammenarbeit mit Eltern
Begegnung, Bildung und Beratung für Familien
Dadurch soll die pädagogische Arbeit mit den Kindern und die Zusammenarbeit mit ihren Eltern im Kinderdörfel unterstützt werden. So soll den Familien der Zugang zu internen oder externen Bildungs- und Beratungsangeboten erleichtert werden, die ihren Bedarfen entsprechen und ihre positive Weiterentwicklung nachhaltig fördern. Die damit beabsichtigte Stärkung des Familiensystems, der Erziehungskompetenz und der Verantwortung der Eltern wirkt sich unmittelbar positiv auf die Entwicklungsbedingungen der Kinder aus.
Ein Schwerpunkt soll dabei auf der Unterstützung der Familien bei Veränderungen im Lebenslauf liegen: Übergängen in der Bildungslaufbahn, in geographisch-kultureller Perspektive und/oder bei familienbiographischen Ereignissen.
Familien in die pädagogische Arbeit einbeziehen
Wir sehen Kinder als Experten ihrer Lernbiographie und uns Erziehungskräfte als ihre Begleiter/innen, die dafür gute Bedingungen und einen verlässlichen Rahmen garantieren. Das primäre Bezugssystem der Kinder ist jedoch ihre Familie, die mit unserer pädagogischen Arbeit in enger Wechselwirkung steht. Aus dieser Erkenntnis haben wir uns in den vergangenen Jahren zunehmend auch den Eltern zugewandt. Wir sehen diese als Experten für ihre Lebenssituationen, für die Fragen und Aufgaben, die innerhalb ihrer Familie gelöst werden müssen. Wir haben es dabei mit sehr verschiedenen Lebenslagen und familialen Lebensstilen zu tun, weshalb sich unser Angebot flexibel an den Bedarfen der jeweiligen Familie orientieren muss.
Präventiv wirken und Hilfen zugänglich machen
Mit der Verschiedenartigkeit von Familien geht aber auch eine Verunsicherung einher: Eltern sind im Zweifel, welche Erziehung ihre Kinder am besten auf ihre Zukunft vorbereitet, weil es darauf keine allgemein gültigen Antworten mehr gibt. Zudem belasten vermehrt familienbiographische Ereignisse die Familien, wie Trennung oder Integration neuer Familienmitglieder, und/oder räumlich-kulturelle Veränderungen, wie erwerbsbedingte Umzüge, Migration oder Flucht aus der Heimat, und verlangen von ihnen hohe Anpassungsleistungen. Um diese bewältigen zu können, sind zusätzliche Begegnungs-, Bildungs- und Beratungsangebote dringend erforderlich.
Veränderungen im Lebenslauf positiv gestalten
Aus unserer Erfahrung wissen wir, dass Übergänge in der Bildungslaufbahn, von der Familie in die Kindertagesstätte und später in die Schule, umso positiver verlaufen, wenn ausreichend Zeit zur Neuorientierung vorhanden ist und wenn alle Beteiligten, die Kinder, ihre Eltern und die Fachkräfte, aktiv an dem Prozess beteiligt werden und in einem hohen Maße kooperieren. So beinhalten Übergänge die Chance für die Kinder und ihre Familien, Herausforderungen positiv zu meistern und bedeutsame Entwicklungsschritte anzustoßen. Eltern sind in dieser Zeit offen für Informations- und Beratungsangebote und suchen diese aktiv nach.
Familienbiographische Ereignisse bringen, wie die Übergänge in der Bildungslaufbahn, auf verschiedenen Ebenen Veränderungen für das Familiensystem und seine Mitglieder mit sich, die bewältigt werden müssen: auf der Ebene des Einzelnen, auf der Ebene der Beziehungen und auf der Ebene der Lebensumwelten. Professionelle Begleitung und Beratung der Familien in einer Zeit des Umbruchs können auch hier Chancen für eine positive Weiterentwicklung statt eines krisenhaften Verlaufs bieten.
Eine solche Ergänzung unserer pädagogischen Arbeit übersteigt den Auftrag und die Ressourcen einer Kindertagesstätte. Deshalb wollen wir eine dauerhafte Kooperation mit Bildungsträgern und Hilfeinstitutionen vor Ort in einem integrierten Gesamtkonzept begründen.
Das Wichtigste auf einen Blick
- Kindzentrierung: Vom Kind ausgehen: Jedes Kind individuell zu betrachten, ist Markenzeichen der pädagogischen Arbeit im AWO-Kinderdörfel. Dabei soll es bleiben. Die Gruppe und das gesamte Haus bieten ein Feld für soziales Lernen im weitesten Sinne. Entscheidend ist der Aspekt der Selbsttätigkeit der Kinder. Wir nutzen Lernfenster, Zeiten aktiver Lernbereitschaft der Kinder, und begreifen uns als individuelle Wegbegleiterinnen der Kinder, jedes bei seinen Themen, jedes mit seinem Tempo. Jedes Kind ist exzellent!
- Situationsansatz: Den Alltag zum Gegenstand des Lernens machen: Wir gehen dabei aus von der Lebenssituation der Kinder und ihrer Familien. Diese stellt in unserer Einrichtung nicht einheitlich dar, sondern ist sehr different und in stetiger Wandlung begriffen. Dafür müssen wir sensibel und offen bleiben. Der individuelle Alltag in der Kindergruppe, in der Familie und im Gemeinwesen bietet vielfältige Entwicklungsanreize, Bildungsanlässe und Gelegenheiten, aus Erfahrungen zu lernen.
- Öffnung nach innen und außen: Chancen vielfältiger Begegnung nutzen: Von der offenen Arbeit haben alle profitiert: Die Kinder, die ein mehr an Möglichkeiten, Chancen und Bezügen vorfinden, und die Erzieherinnen, die ihre Arbeit bereichern durch den fachlichen Austausch mit den Kolleginnen. Zusätzliche Ressourcen gewinnen wir durch die Öffnung nach außen: in den Stadtteil und das Gemeinwesen. Die Stadt wird so zum "Bilderbuch für Kinder".
- Familienorientierung: Auf Augenhöhe zusammenarbeiten: Die Entwicklung von Kindern kann nicht isoliert betrachtet werden, weil sie sich im sozialen Kontext ihrer Familie als ihrem primären Bezugssystem vollzieht: Ohne die Eltern geht es nicht; die Fachkräfte müssen das gesamte System sehen. Die Zusammenarbeit mit den Eltern gestalten wir als einen transparenten Austausch auf Augenhöhe. Sie hat zum Ziel, die Entwicklung der Kinder in Familie und Kindertagesstätte zu unterstützen. Eine verstärkte Hinwendung zu den Eltern erfolgt also nicht in erster Linie für diese selbst, sondern für ihre Kinder.
- Stärkung der Erziehungskompetenz und Eigenverantwortung der Eltern: Nicht für, sondern mit den Eltern arbeiten: Dabei geht es nicht darum, den Eltern Aufgaben abzunehmen oder sie zu bevormunden. Das Gegenteil ist der Fall: Das Ziel ist die Stärkung der Erziehungskompetenz der Eltern und ihrer Verantwortung für ihre Kinder. Die Eltern sind die Experten für das Familienleben und bleiben dort auch in der Pflicht. Die Erzieherinnen sind verantwortlich für die Abläufe in der Kindertagesstätte und für die Gestaltung des Bereichs, in dem sich beide Systeme begegnen.
- Lösungsorientierung: Gemeinsam mit Kindern und Eltern die richtigen Antworten suchen: So wie es nicht die Kinder gibt, gibt es auch nicht die Eltern oder Familien. Wir müssen offen bleiben für die Fragen der Kinder und Anliegen ihrer Eltern und mit ihnen zusammen nach den passenden pädagogischen Antworten suchen.Gute Beispiele für eine solche lösungsorientierte Arbeit ist das Einbinden externer Therapeutinnen (statt über Schwierigkeiten zu reden), die Familiencafés (Begegnung statt Vereinzelung) oder die Eltern-Kind-Nachmittage (Gemeinsamkeit erleben).
- Teilhabe für Eltern und Familien: Begegnung, Bildung und Beratung ermöglichen: Wir wollen den Eltern Begegnung, Bildung und Beratung ermöglichen. In erster Linie sind damit die Eltern der Kinder im Kinderdörfel gemeint. Eine Öffnung für Eltern von außerhalb kann eine sinnvolle Weiterentwicklung darstellen. Aktuelle Formen:
- Begegnung: Familiencafés und Vater-Kind-Wochenenden
- Bildung: Eltern-Kind-Nachmittage und Themen-Elternabende
- Beratung: Projekt BiK und Entwicklungsgespräche (fallweise)
- Fokus Übergänge: Veränderungen als Bildungsanlässe beachten: Der Hessische Bildungs- und Erziehungsplan legt besonderes Augenmerk auf Übergänge (Transitionen) von einer Bildungsinstitution in eine andere. Eltern werden offen und interessiert für die neue Einrichtung und nehmen Gesprächs- oder Beratungsangebote gerne wahr (Bsp. Eingewöhnung).Übergänge stellen Phasen beschleunigter Entwicklung dar, nicht nur beim Wechsel von der Familie in die Kindertagesstätte oder von dort in die Schule, sondern auch bei Veränderungen im Familiensystem, bei der Geburt oder dem beruflichen Wiedereinstieg nach der Familienphase, bei der Neudefinition der Paarbeziehung, kurz gesagt immer, wenn es gilt, von neuem sein Verhältnis mit der sozialen Welt in Ordnung zu bringen.
- Team als Ressource: Die Entwicklung der Einrichtung und der Fachkräfte verbinden: In den vergangenen Jahren haben sich die Fachkräfte durch umfangreiche Fortbildungen zu Expertinnen in bestimmten Bereichen weiterentwickelt, die verschiedenen Facetten der Weiterentwicklung der Einrichtung entsprechen.Entwicklungspsychologie, kindzentrierte Entwicklungsförderung
- Entwicklungsbegleitung, Handicaps und Inklusion
- Sprachförderung und Interkulturalität
- Bewegung, Ernährung und Gesundheit
- Elternberatung, Teamentwicklung, Supervision und Coaching
- Multiplikatorin für Kinder- und Familienzentren
- Soziales Netzwerk: Mit externen Fachdiensten zusammenwirken: Die AWO-Kindertagesstätten sind seit 15 Jahren im sozialen Netzwerk Viernheim vertreten. Diese Struktur bietet vielfältige Chancen, Lösungen für die Anliegen zu finden, die über den Auftrag einer Kindertagesstätte hinausgehen: Bildungsträger, Beratungsstellen, Fachdienste, Therapeutinnen, ... Die Fachkräfte agieren als Lotsen und ermöglichen den Familien zusätzliche Handlungsoptionen. Über die Inanspruchnahme entscheiden diese jedoch selbst.